Matthias Aeberli
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Soll man, kann man, darf man Äpfel mit Birnen vergleichen?
Die allmähliche Einführung, der Gebrauch, die Nutzung der Ölmalerei wird zeitlich im Spätmittelalter verortet, je nach Region variiert das von Nordeuropa, wo diese schon im 13. Jhdt. praktiziert wurde bis nach Südeuropa, wo sich diese vor allem im 16. Jhdt endgültig durchsetzt. In Venedig, wo die hohe Luftfeuchtigkeit für die al fresco Malerei nicht sehr günstig war, hat sich diese Technik schon früher etabliert.
Parallel dazu findet auch ein anderer folgenreicher Wechsel statt: die Loslösung des Bildes von seinem Untergrund. Dies wurde mobil, trennte sich sich von der Mauer und wurde autonom.
Erster
Einschub: Mobil vs immobil, oder Mobilie versus Immobilie, was uns auf ein verwandtes Gebiet führt, auf den Marktplatz mit beweglichen und unbeweglichen Gütern, also vor allem
Häusern, Grundstücken. Und zur Frage, womit mehr zu holen ist.
Im Bereich der Kunst sind die Vorteile schnell erkennbar: aus einer Wand wird ein leicht transportierbares Objekt. Zusammen mit der Entstehung und Entwicklung leichterer Malgründe, wie Holzplatten oder Chassiskonstruktionen, welche dann mit Tuch bezogen wurden und erst noch den Vorteil hatten, nachgespannt werden zu können. Alles im Sinne eines Objektes, welches ohne grössere Mühe bewegt werden kann. Natürlich musste man dabei auch in Kauf nehmen, dass die Einheit von Bild und Raum aufgehoben wurde, dabei haben sich aber soviele Vorteile ergeben, welche die Nachteile aufgewogen haben: denn auch die Bildinhalte welche ehedem streng an die Funktion des Gebäudes gekoppelt waren, sodass gewisse Inhalte gar nicht erst existierten, konnten sich nun erst recht vermehren: in einem Sakralbau war die Funktion des Bildes eine Interpretation des Sakralen selbst und es war unvorstellbar, dass dort profane Inhalte dargestellt werden konnten. Sobald sich nun ein Markt etabliert hatte, welcher auf die beweglichen Bilder reagieren konnte, begannen sich auch die Inhalte dieser Bilder dem Markt anzupassen. Endlich waren zum Beispiel auch Blumenbilder möglich ohne versteckte Moral. Das Bild einer Lilie konnte eine Lilie darstellen ohne deswegen die christlichen Keuschheits- und Reinheitsgebote mittransportieren zu müssen. Aber natürlich haben die marktbeherrschenden Kräfte bald gelernt, wie sich diese quasi herrenlosen Bildwelten wieder instrumentalisieren lassen können.
Zweiter Einschub: wie ist es zu verstehen, dass sich die sogenannte street art, (also graffitis, tags etc.) einer umgekehrten Strategie bedient, nämlich Bilder im öffentlichen Raum und meist an privaten, nicht ihnen gehörenden Wänden zu platzieren und dabei einiges zu riskieren, da diese Eingriffe illegal sind, da sie etwas sehr Empfindliches tangieren: den Begriff des Privateigentums. Die Bilder sind immobil, sie verschmelzen mit ihrem Grund. Ist das jetzt eine ironische, rückwärtsgewandte Strategie? Die Jungs und Girls könnten doch ihre pieces auf Leinwand, Papier sprayen, dann wären die Dinger ja auch noch verkäuflich. Nun, abgesehen davon, dass die Protagonisten damit ihre street credibility verlieren würden, ginge auch der vielleicht naive, aber durchaus manifeste Glaube an die Macht des Bildes, sofern es denn öffentlich sichtbar ist, verloren.
Das Bild im Speziellen, die Kunst im Allgemeinen, ist zu einem immer bedeutenderen Wirtschaftsfaktor geworden, nicht zuletzt auch darum, weil sich die Produkte bequem von einem Ort zum anderen verschieben, transportieren lassen. Man weiss, dass Artemisia Gentileschi (1593-1653) ihre Arbeiten vor der Fertigstellung nach Flandern geschickt hat, wo gewisse Details, welche sie selbst nicht ausführen wollte, noch eingefügt wurden, bevor sie selbst dann ihre Arbeit an den Auftraggeber weitergeleitet hat. Dies eine im höchsten Masse arbeitsteilige Produktionsweise, noch vor fedex und skype.
Dritter Einschub: eine der ersten geplatzten europäischen Spekulationsblasen 1637 hatte mit Tulpen zu tun (tulipmania). Seitdem wird jeder neue zyklische Einbruch damit verglichen. Das Platzen der Immobilienblase vor wenigen Jahren liess auch die Frage entstehen, ob denn die Kunstwelt, präziser der internationale Kunstmarkt, derselben Gefahr ausgesetzt sein
könnte. Nun, es sieht gar nicht so aus, ganz im Gegenteil. Im sogenannten Spitzensegment steigen die Preise kontinuierlich weiter. Es mag damit zu tun haben, dass die gehandelte Kunst, die Mobilie, sich als einfacher im Unterhalt erweist. Keine, oder nur vernachlässigbare Instandhaltungskosten im Verhältnis zum Einstandspreis, keine Folgekosten, zudem tritt ein Kunstsammler in einer ganz anderen gesellschaftlichen Sphäre auf, nicht als Immobilienhai, behaftet mit all den gewachsenen Vorurteilen, sondern als Philanthrop. Die Aura der Ware taucht auch den Käufer in ein goldenes Licht.
Es bleibt noch festzustellen, dass die beschriebenen Phänomene sich keineswegs gleichmässig im gesamten Kunstsektor verteilen, damit wird offensichtlich, dass die Marktgesetze überall ähnlich funktionieren: im niederschwelligen Bereich ein Riesenangebot und wenig Nachfrage und in der super league ein sehr eingeschränktes Angebot, welches mit einer zunehmenden Nachfrage korrespondiert.
Vierter Einschub, zur Diskussion gestellt: Was meint wohl Papst Franziskus (kein Künstler, kein Händler und kein Linker), wenn er schreibt „Diese Wirtschaft tötet“? Mehr zum Thema Kultur in den Städten in seinem ersten Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ am 24.11.2013.
Matthias Aeberli, Februar 2014